20.–29.5.2014

Japan Syndrome

Kunst und Politik nach Fukushima

Drei Jahre nach dem Tsunami im Nordosten Japans und der Havarie in den Atomreaktoren von Fukushima haben viele Menschen, darunter eine steigende Anzahl von Künstlern, die nach dem Desaster einsetzende Agonie und Sprachlosigkeit überwunden. Sie beginnen zu erkennen, dass die Katastrophe viele bislang verborgene Risse innerhalb der japanischen Gesellschaft freigelegt und die Mythen der Nachkriegszeit, den Glauben an unbegrenztes Wirtschaftswachstum durch billige Energie und an die Beherrschbarkeit von Natur und Technologie als existenzielle Bedrohung der Bevölkerung beschreibbar gemacht hat.

Das Festival Japan ­Syndrome geht zehn Tage lang der Frage nach, wie sich die japanische Gesellschaft und die Sprache der Kunst seit den Ereignissen vom 11. März 2011 verändert haben. Theatermacher wie Toshiki Okada, Akira Takayama und Takuya Murakawa, Bildende Künstler wie Tadasu Takamine oder Nina Fischer & Maroan el Sani, Musiker wie Tori Kudo oder die Band Sangatsu und der Dokumentarfilmer Hikaru Fujii präsentieren in diesem Rahmen neue Arbeiten, von denen einige in enger Kooperation mit dem HAU Hebbel am Ufer entstanden sind.


“Konfrontiert mit der Frage 'Was kann Kunst tun?' sind ihre Protagonisten in Zeiten wie diesen zutiefst verunsichert. Im Alltag ist ständig nur von Problemlösungen die Rede. Das Festival, in vormoderner Zeit als religiöse und rituelle Kunstform entstanden, hatte ursprünglich eine regenerative Funktion. Es sollte in von Naturkatastrophen betroffenen Gebieten zum Wiederaufbau beitragen. Die Kunst wollte sich seit der Moderne unter dem Banner der Freiheit vollständig von ihren gesellschaftlichen Funktionen lösen. Sie befand sich in einer Sackgasse und schwieg, denn sie hatte keine Antwort auf die Frage, ob Techniken, die der Krisenbewältigung dienen, Teil des künstlerischen Formenkanons sein können. Selbst unter diesen Voraussetzungen können Künstler jedoch immer noch eine Entscheidung treffen und jenseits individueller Befindlichkeiten eine Beziehung zu sozialen Netzwerken herstellen. Ein anderer überträgt Lieder in die Lungen von Opfern des Tsunami, die Meerwasser geschluckt haben – als poetische Form der Vergeltung im Namen der Menschen, die auf die eine oder andere Weise von 3.11 und seinen Auswirkungen betroffen sind. Ein dritter Künstler will einfach mit autonomer Kunstproduktion weitermachen wie bisher, während er doch die Last der Stille körperlich spürt. Wenn die Kunst in der Lage ist, irgendetwas auszurichten, dann kann sie womöglich mit unterschiedlichen Mitteln helfen, das Schweigen zu brechen."

Der Originaltext von Hikaru Fujii stammt aus dem Katalog zur Ausstellung “Artists and the Disaster – Documentation in Progress” (2012) im Contemporary Art Center, Art Tower Mito (Japan) und ist auch in der Festivalzeitung "Japan Syndrome" abgedruckt.

Konzept: Annemie Vanackere, Christoph Gurk
Künstlerische Mitarbeit/Produktionsleitung: Jana Bäskau, Ulrike Krautheim
Produktionsassistenz: Masahiko Yokobori, Kristin Buddenberg
Graphik: Jürgen Fehrmann, Sonja Deffner
Künstlerische Leitung & Geschäftsführung: Annemie Vanackere
Mit besonderem Dank an: Stéphane Bauer und den Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, The Japan Foundation, Hans-Thies Lehmann, Hiromi Maruoka, Takio Okamura, Prof. Dr. Steffi Richter, Makiko Yamaguchi

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.