8.–14.4.2013

Precarious Bodies

Tanz, Performance, Körperpolitik

“Der menschliche Körper ist das mikroskopische Abbild einer Gesellschaft.” 
(Mary Douglas: Ritual, Tabu und Körpersymbolik) 



Von der Prekarisierung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse können wir mittlerweile alle unsere Lieder singen. Die damit verbundene strukturelle Instabilität und die Ökonomisierung des Sozialen schreiben sich in die Körper ein und rücken die Verletzbarkeit des Einzelnen in der Gesellschaft in den Vordergrund. Obwohl alle diese radikale Verwundbarkeit teilen, sind die Konsequenzen und Effekte an Machtverhältnisse gebunden, die ungleich hart zuschlagen. Nicht-weiße, nicht-männliche, nicht-westliche, nicht-heteronormative, nicht-genug verdienende Subjekte teilen eine größere Verletzungsoffenheit als Angehörige sogenannter Dominanzpositionen. Eine Sprache des prekären Körpers, der sich die Veranstaltungsreihe “Precarious Bodies” vom 8.-14. April 2013 widmet, denkt diese öffentliche und politische Dimension des Körpers genauso mit, wie die dem neoliberalen Kapitalismus innewohnende Gier, den Körper samt seiner Effekte, Bedürfnisse und Sehnsüchte immer mehr zu umklammern.



Ausgangspunkt dieser Reihe sind die Reinszenierungen zweier, mittlerweile zu Klassikern der internationalen Performancekunst avancierte Stücke von Jan Fabre / Troubleyn (This is theatre like it was to be expected and foreseen 1982/2012, The Power of Theatrical Madness 1984/2012). Die Aufführungsdauer von acht beziehungsweise viereinhalb Stunden führt die ZuschauerInnen, vor allem aber die DarstellerInnen an die Grenzen des physisch Erträglichen. Kunst ist Arbeit, im besten Falle acht Stunden Arbeit pro Tag. Das Theater als Körperarbeit, in diesem doppelten Sinne, nimmt Markus Öhrn in seiner Arbeit "Etant Donnés" zum Anlass, in einer direkten und kritischen Bezugnahme auf Fabre, damalige Perspektiven zu problematisieren und diese mit heutigen riskanten, sexualisierten Arbeitswelten kurzuschließen.
 

Das Festival wird mit einem Gespräch zwischen Jan Fabre, Markus Öhrn und Panaibra Gabriel Canda, das Christine Wahl moderiert, eröffnet. Auch die Performer der Young Jean Lee's Theater Company sprechen - moderiert von Margarita Tsomou - über ihre Untitled Feminist Show.

Die “Untitled Feminist Show” von Young Jean Lee's Theater Company stellt die Verletzbarkeit ihrer Performer aus, ohne sie in ihrer Nacktheit auszuliefern; vielmehr wollen sie bestehende  Geschlechternormen und Zuschreibungen durcheinanderwirbeln, und kulturelle Identitäten, aber auch formale ästhetische Konventionen infrage stellen.


Im Fokus der Arbeit des mosambikanischen Choreografen Panaibra Gabriel Canda steht sein eigener Körper und die Geschichte, die er erzählt. In seinen Körper, der immer auch ein sozial verfasster ist, haben sich die Ideen der verschiedenen, von Canda durchlebten Geschichtsepochen eingeschrieben. Der Kolonialismus, der Befreiungskampf, der Sozialismus und der heutige Versuch einer Demokratisierung des Landes sind ein Teil seines Körpers geworden. Panaibra Gabriel Canda überführt diese Erkenntnis in "Time and Spaces: The Marrabento Solos" in einen tänzerischen Ausdruck, der sowohl auf afrikanische als auch auf europäische musikalische Traditionen Bezug nimmt. Bei seinem Solo lässt er sich von dem Marrabenta-Gitarristen Jorge Domingos begleiten.



Normal Love, das Nachfolgeprojekt der Berliner Band Rhythm King And Her Friends greift Einflüsse aus der Clubmusik und aus dem Singer-Songwriter-Genre auf und kombiniert sie mit queer-feministischen Texten. 

Die Aufführungen von Markus Öhrn und Young Jean Lee's Theater Company lassen sich am 12.+13.+14.4. kombinieren und sind als Double Bill an der Vorverkaufskasse buchbar.