1.–3.12.2017

SAVVY Contemporary: That, Around Which the Universe Revolves

On Rhythmanalysis of Memory, Times, Bodies in Space

Ich bin die Trommel, du bist die Trommel, ihr seid die Trommel, und wir sind die Trommel. Rhythmus ist die Seele des Lebens. Alles, jede menschliche Handlung, dreht sich um Rhythmus. 
Babatunde Olatunji (1927-2003)

Das Forschungs-, Performance- und Ausstellungsprojekt "That, Around Which the Universe Revolves" bringt bildende Künstler*innen, Stadtplaner*innen, Fotograf*innen, Performer*innen und Theoretiker*innen zusammen, um die Wechselbeziehungen von Raum und Zeit, Erinnerung, Architektur und Stadtplanung durch Henri Lefebvres Idee der Rhythmusanalyse zu betrachten. Die Städte Lagos, Düsseldorf, Harare, Hamburg und Berlin werden als Netzwerk betrachtet, ihre spezifischen Epistemologien und Historien erkundet. So werden die Städte zu Laboren, in denen die zeitlichen und räumlichen Dimensionen des täglichen Lebens im urbanen Raum analysiert werden, betrachtet durch die Wechselwirkungen von Körper, Rhythmus und urbaner Struktur. 
Das Kapitel zu Berlin ist das fünfte und letzte Kapitel des Projekts. Echos, Erinnerungen und Fundstücke aus zwei Jahren Forschungsarbeit, aus Performances und Gesprächen, die in direktem oder indirektem Zusammenhang zur Rhythmusanalyse stehen, werden in einer Ausstellung bei SAVVY Contemporary gezeigt. Darüber hinaus widmet das HAU Hebbel am Ufer dem Projekt ein Performance- und Diskursprogramm. 



Der Zusammenhang zwischen der Erinnerung eines Volkes oder einer Gesellschaft und einer bestimmten Zeit oder einem bestimmtem Raum ist eins der tragenden Motive im Werk des Soziologen und Philosophen Henri Lefebvre. In seinem posthum veröffentlichten Buch ‘Rhythmanalysis: Space, Time and Everyday Life‘ macht Lefebvre das Konzept von Rhythmus für seinen Versuch nutzbar, mithilfe einer Rhythmusanalyse ein neues wissenschaftliches Wissensfeld zu erschließen. Im Grunde genommen erkennt Lefebvre Rhythmen in unserem täglichen Leben, in unserer Bewegung durch den Raum und unserer Interaktion mit Objekten in diesem Raum, zum Beispiel im Wechselspiel zwischen dem Biologischen und dem Sozialen. In seiner einflussreichen Studie versucht Lefebvre das Verständnis von städtischem und ländlichem Raum, von Medien und Politik mithilfe des Konzepts von Rhythmus neu auszuhandeln. Es geht ihm darum, das Alltägliche, Profane und sich Wiederholende zu analysieren. Es geht ihm um die Vermischung von linearen und zyklischen Prozessen ebenso wie um den Kreislauf von Geburt, Wachstum, Höhepunkt, Verfall und Ende. All diese Elemente verbinden sich zu dem „Rahmen, in dem das Bestimmte, also reale und konkrete Fälle mit Musik, Geschichte und dem Leben von Individuen oder Gruppen, analysiert werden können.“



Die Möglichkeiten und Grenzen von Lefevbres Perspektive erkennend, schlägt dieses Projekt  Künstler*innen vor, sich als zeitgenössischen Rhythmusanalysten zu begreifen. Als solche können sie einen  bestimmten Raum und eine Gruppe von Menschen aufzeichnen. Zeitgenössische Künstler*innen und Performer*innen sind eingeladen, zu untersuchen, wie innerhalb von Städten, die als Rhythmusarchive fungieren, Erbe und Überlieferung produziert, neugeformt und wieder beseitigt werden. Die performativen Interventionen und Diskursprogramme in Düsseldorf, Berlin und Hamburg haben afrikanische und diasporische Künstler*innen eingeladen, auch der Geschichte der afrikanischen Präsenz und des Widerstands in Deutschland nachzugehen und so zeithistorische und räumlich-geografische Stadtkonzepte neu zu fassen. 



So eröffnet das Projekt einen Raum, in dem die engen Wechselwirkungen zwischen afrikanischen und deutschen Städten reflektiert werden: Hier wird beispielsweise die heiß debattierte koloniale Geschichte mithilfe der Rhythmusanalyse geografisch neu erschlossen, durch Begegnungen, die Linien zwischen Vergangenheit und Gegenwart ziehen und Gebäude, Denkmäler, Geschichte und die Menschen verknüpfen, die sich täglich durch sie hindurch und an ihnen vorbei bewegen. Das Projekt konzentriert sich auf drängende urbane Themen wie Gentrifizierung, Lohnunterschiede, Sicherheitszonen, Architektur und Stadtplanung, aber auch Ausgrenzung, soziale Bewegungen, kreative Räume und eine durch Forschung und afrikanische künstlerische Praktiken entstehende Gemeinschaft. Diese Themenbereiche leisten einen wichtigen und innovativen Beitrag zur Rezeption von Lefebvres ungewöhnlich bedeutungsvoller philosophischer und sozialer Theorie, die hier in Arbeit und Leben umgesetzt wird – und die sich in den Rhythmen und Überlegungen der Kreise, die dieses Projekt zieht, wiederfindet.



Der Rhythmusanalyst vermag es, einem Haus, einer Straße, einer Stadt so zuzuhören wie man einer Symphonie, einer Oper zuhört.
Henri Lefebvre. Rhythmanalysis

Die Ausstellung im SAVVY Contemporary eröffnet am 30. November 2017 und ist bis zum 28. Januar zu sehen. Teilnehmende Künstler*innen: Akinbode Akinbiyi, Fikret Atay, Vartan Avakian, Allana Clarke, Eli Cortiñas, Masimba Hwati, Delio Jasse, Lamia Joreige, Jacqueline Hoàng Nguyen, Christian Nyampeta, Trinh Thi Minh Hà

Künstlerische Leitung: Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
Kuratorinnen: Elena Agudio, Anna Jäger und Saskia Köbschall

Eine Zusammenarbeit von SAVVY Contemporary mit HAU Hebbel am Ufer, Gintersdorfer/Klaßen, Q-Dance, Njelele Art Station, FFT Düsseldorf und Kampnagel (Hamburg).

Gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes.