17.–25.1.2018

Spy on Me

Schwerpunkt Big Data

Dass (para-)staatliche und private Institutionen (wie Facebook, Google und Amazon) mit digitalen Aufzeichnungsmaschinen und Auswertungssystemen auch unsere intimsten Daten überwachen und kontrollieren, ist uns spätestens seit den Enthüllungen von Whistleblower*innen und NSA-Skandalen bekannt. Durch kybernetische Verhaltenssteuerungen und Feedback-Schlaufen auf Basis von Big Data wird jede subjektive Äußerung auch zu einer vermess- und quantifizierbaren Eingabe. “Spy on Me” wird den Effekten der Überwachung auf unser Selbst und die Gesellschaft nachgehen. Was passiert wenn Daten zum essenziellen Rohstoff und Informationen zur wichtigsten Ware werden? 

Der neuntägige Themenschwerpunkt versucht dem Einfluss der Kultur der Digitalität und der Macht von Big-Data-basierten Analysemethoden und ihren politischen und ökonomischen Konsequenzen auf die Spur zu kommen. Im Programm stehen zwei Premieren: doublelucky productions, das Multimedia- und Digital Arts-Ensemble um Chris Kondek und Christiane Kühl, fragt in ihrer neuen Arbeit “The Hairs Of Your Head Are Numbered“ wie der Körper durch Vermessung und Quantifizierung zum Datenkörper wird, während andcompany&Co. in “COLONIA DIGITAL: The Empire Feeds Back“ an die sozialistischen Ursprünge von Big Data erinnert. Das Berliner Kollektiv begibt sich in den Control-Room, jene "Kommunistenmaschine", die Salvador Allende kurz vor Pinochets Putsch einrichten ließ, um den Staat und eine ganze Volkswirtschaft in Echtzeit steuern zu können. Die performativ-subversive “The Call-A-Spy Show“ von Peng! Collective wird die Überwacher*innen mit einem Telefon ausgestattet kontaktieren, um an den Psychohaushalt von NSA/CIA- und anderen US-amerikanischen Spion*innen zu kommen. Und in “YOU ARE OUT THERE“ lotet das zweite Stück von doublelucky productions unsere omnipräsenten Selbstbilder und digitalen Doppelgänger*innen in den sozialen Medien dies- und jenseits der Legalitätsgrenzen neu aus.

Mit der Diskussion zum Thema „Die Pistole ist neutral? Über informierte Naivität und Technikeuphorie“ hinterfragen die Digitalexperten Timo Daum, Felix Maschewski und Anna-Verena Nosthoff die von den Vertreter*innen der kalifornischen Ideologie aus dem Silicon Valley proklamierte These der Neutralität. Gemeinsam mit Timo Daum, Autor des Buches "Das Kapital sind wir. Zur Kritik der digitalen Ökonomie" sprechen sie über die politischen, sozialen und ökonomischen Folgen des digitalen Kapitalismus.

Die diskurserweiternden Seiten von sozialen Medien und neuen Kommunikationsmöglichkeiten beleuchtet im Rahmen von „Spy on Me“ eine Online-Kooperation mit “Reporter Ohne Grenzen e.V.”, die sich weltweit gegen Zensur und für Informations- und Meinungsfreiheit im Internet einsetzen. Das WorldWideWeb ist heute für viele Menschen auf der ganzen Welt, gerade in Ländern mit unzureichender Pressefreiheit, eine unentbehrliche Quelle für unabhängige Informationen. Auf den digitalen Kanälen des HAU Hebbel am Ufer präsentiert der Verein Positionen, Storys und Nachrichten zu den Themen Informationsfreiheit, transparente Daten und Algorithmen.

Außerdem kommen für “Spy on Me” erstmalig mit Houseclub & Friends durch die Zusammenarbeit mit dem Programm “Kulturagenten für kreative Schulen” Schulen aus vier Berliner Bezirken zusammen und ermöglichen den Austausch von Künstler*innen und Schüler*innen von drei Berliner Schulen. Kareth Schaffer, Sven Jonke, Emine Palabıyık / BORDALINE und Bogdan Georgescu greifen die Alltagserfahrungen der Jugendlichen auf und erarbeiten mit ihnen Stücke zu den Themen Fake News, Geheimnisse, Selbstüberwachung und Handysucht. 

 

Die Cybercyn-Revolution
Fünf Dinge, die uns ein sozialistisches Computer­projekt aus Salvador Allendes Chile beibringen kann

Chile 1971. Der englische Wissenschaftler Stafford Beer wird mit dem Umbau der Ökonomie des Landes nach kybernetischen Prinzipien beauftragt. Was folgt, ist die ekstatische Verschmelzung von europäischer Kybernetik und chilenischem Sozialismus. Mit dem ­Militärputsch von 1973 findet das Experiment ein jähes ­Ende. Die amerikanische Historikerin Eden Medina präsentiert die einzigartige historische Episode als Lehrstück für das vielschichtige Gefüge aus Techno­logie und Politik.

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Komplizen des Erkennungsdienstes
Das Selbst in der digitalen Kultur

Warum gelten Geräte und Verfahren, die bis vor Kurzem Verbrecher und Wahnsinnige dingfest machen sollten, heute als Vehikel der Selbstermächtigung? Andreas Bernard, Journalist und Kulturwissenschaftler, seziert in seinem aktuellen Buch die Komplizenschaft bei der Vermarktung unseres digitalen Selbst.

Die Welt in Echtzeit 
Vom Markt zu Gaia

Die Erfassung von Daten und deren Auswertung durch Algorithmen ist nicht neutral, sondern stets durch institutionelle und privatwirtschaftliche Interessen verformt, argumentiert der Medienwissenschaftler Felix Stalder. Dennoch könnte in Big Data die Lösung auf eines der drängendsten Probleme der Menschheit liegen: die Klimaerwärmung. Ein Plädoyer für soziale Institutionen zur Algorithmus-Kontrolle.

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