Ein Teil der ausgewählten Filme gruppiert sich um die Frage wie Arbeit auf den Menschen wirkt und umgekehrt, wie darstellbar sie im Film überhaupt ist und welche Bilder von Arbeit und damit auch von gesellschaftlicher Realität sich im und durch Film manifestieren. Einerseits repräsentiert durch die realen Arbeitsbedingungen hinter der Kamera, andererseits durch die dargestellte Thematik vor der Kamera, teilweise sowohl als auch. Ein anderer Teil der Filme widmet sich Visionen und Obsessionen, Alternativen, Abwegen und Abgründen.

21.11. / HAU2
 

19:00 Uhr

WORK HARD - PLAY HARD

Regie: C. Losmann, D 2011, 90', Dokumentarfilm, dt OmeU

Warnung vor einer heiligen Nutte

Regie: R.W. Fassbinder, BRD 1970, 99', Spielfilm, dt/en OmeU

21:00 Uhr

Arbeiter verlassen die Fabrik

Regie: H. Farocki, D 1995, 36', Dokumentarfilm, en F

Ende einer Kommune

Regie: J. v. Mengershausen, BRD 1970, 50', s/w, Dokumentarfilm, dt OF

22:00 Uhr

PETRA
Regie: hangover ltd. (Christine Groß, Sophie Huber, Ute Schall, Tatjana Turanskyj), D 2003, 73', Spielfim, dt OmeU

Slaves in Paradise

Regie: M. Benjamin, UK 1999, 50', Dokumentarfilm, en OF


Über die Filme

WORK HARD - PLAY HARD

Regie: Carmen Losmann, D 2011, 90', Dokumentarfilm, dt., OmeU
 

Das Streben nach Gewinnmaximierung und grenzenlosem Wachstum hat die Ressource Mensch entdeckt. Carmen Losmann hat einen zu tiefst beunruhigenden Film über moderne Arbeitswelten gedreht. Die Grenzen zwischen Arbeit und Lifestyle sollen verschwinden. Bei Auswahl, Motivation und Training der Mitarbeiter von Morgen wird nichts dem Zufall überlassen. Selbstoptimierung steht auf dem Programm. In unserer modernen Arbeitswelt bedeutet die Sanierung eines Betriebes die Sanierung der Mitarbeiter.


Warnung vor einer Heiligen Nutte

Regie: R.W. Fassbinder, BRD 1970, 99', Spielfilm, dt./en., OmeU
 

In einem Hotel am Meer in Spanien wartet ein Filmteam auf den Regisseur, den Star und auf das Filmmaterial. Währenddessen entwickelt sich eine gereizte Stimmung zwischen Schauspielern und Technikern, in die sich Konkurrenzängste, Langeweile und Eitelkeiten mischen. Als der despotische Regisseur endlich eintrifft, nutzt er das organisatorische wie zwischenmenschliche Chaos rücksichtslos für eigene Zwecke.


Arbeiter verlassen die Fabrik

Regie: Harun Farocki, D 1995, 36', Dokumentarfilm, dt, EF
 

Die erste Kamera in der Geschichte des Films war auf eine Fabrik gerichtet, aber nach hundert Jahren läßt sich sagen, daß die Fabrik den Film kaum angezogen, eher abgestoßen hat. Der Arbeits- oder Arbeiterfilm ist kein Hauptgenre geworden, der Platz vor der Fabrik ist ein Nebenschauplatz geblieben. Das Werkstor formiert die von der Arbeitsordnung vergleichzeitigten Arbeiterinnen und Arbeiter, die Kompression erzeugt das Bild einer Arbeiterschaft. Es ist augenscheinlich, wird aus der Anschauung gewonnen oder in ihr wiedergewonnen, daß die durch das Werktor Tretenden etwas Grundsätzliches gemeinsam haben. Das Bild ist nahe am Begriff, und deshalb ist dieses Bild zu einer rhetorischen Figur geworden. Man findet diese in Dokumentationen, in Industrie- und Propagandafilmen, oft mit Musik unterlegt und/oder Worten unterlegt, dem Bild ist ein Wortsinn wie "Ausgebeutete", "Industrieproletariat", "Arbeiter der Faust" oder "Massengesellschaft" eingetragen. Nachträglich, nachdem wir gelernt haben, wie Filmbilder nach Idee greifen und von diesen ergriffen werden, nachträglich sehen wir, dass die Entschiedenheit der Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter repräsentativ ist, dass die sichtbare Menschenbewegung stellvertretend steht für die abwesenden und unsichtbaren Bewegungen der Güter, Gelder und Ideen, die in der Industrie zirkulieren. Schon in der ersten Bilderfolge wird die Hauptstilistik des Films begründet. Zeichen werden nicht in die Welt gesetzt, sondern im Wirklichen aufgegriffen. Als teile die Welt aus sich heraus etwas mit. (Harun Farocki)


Ende einer Kommune

Regie: J. v. Mengershausen, BRD 1970, 50', s/w, Dokumentarfilm, dt OF
 

Joachim von Mengershausen über seinen Film:

"Ende einer Kommune ist ja schon ein recht alter Film, als Fassbinder das Münchner Kellertheater Actiontheater zu seiner Bühne machte und gleichzeitig Liebe ist kälter als der Tod zu aller Überraschung ins Wettbewerbsprogramm der Berlinale 1969 aufgenommen wurde.
 Mit einem 2m langen Kameramann, der mir zusammen mit Kamera und 16mm Filmmaterial vom SDR zur Verfügung gestellt worden war, drehten wir im Juni/Juli in München, Berlin und Bremen die Auftritte der Münchner Schauspielertruppe, die sich jetzt antiteater nannte. 
Man spielte im Studio der Münchner Kammerspiele, dann im Forumtheater am Berliner Kurfürstendamm Paradise Now, ein Stück von Fassbinder mit bescheidenem Erfolg und reiste nach einer fulminanten Uraufführung von Liebe ist kälter als der Tod im Zoopalast weiter nach Bremen zu Intendant Kurt Hübner, wo ein dortiges Ensemble des Stadttheaters Fassbinders Bearbeitung von Goldonis Caféhaus probte. Nachdem Fassbinder und seine Schauspieler eine halbe Stunde lang den Proben des Bremer Ensembles zugesehen hatten, ging Fassbinder zum Intendanten und bot an, mit seinen Leuten die Uraufführung zu übernehmen. Überrascht und zugleich fasziniert gab Hübner seine Einwilligung.
Das in etwa erzählt der Film ohne allen Kommentar. Mich faszinierte damals der Gedanke, aus dem Geist der Kommune Theater zu machen, und wie da einer kam und ohne allen Widerstand bei den Beteiligten die ganze Unternehmung einfach umdrehen und auf den Kopf stellen konnte. Der damalige Freiheitsgedanke verwandelte sich also schnell zurück ins autoritäre Denken und Handeln."


PETRA

Regie: hangover ltd.*, D 2003, 73', Spielfim, dt OmeU
 

"…Weißt du was, du schläfst und bist im Fieberwahn, im Fieberwahnsinn, im totalen Fieberdilemma und du hast einen Fiebertraum. Und dann hast du irgendwelche erotischen Fieberfantasien, irgendwas feucht halt, du weißt worauf ich hinaus will, aber wirklich im Fieberwahnsinn, so muss es auch kommen, aus dir raus sprudeln…". 
Petra ist Künstlerin. Ein manischer Workaholic, ein Leopard, ein Raubtier.
 Unfähig, sich anders als über ihre Arbeit mitzuteilen, inszeniert sie Teddy, Kim und Hannah zu jeder Tages- und Nachtzeit. In der hermetischen Welt ihrer Wohnung versucht sie, ihre Ideen und Obsessionen umzusetzen. PETRA ist der zweite Film von hangover ltd.*.


Slaves in Paradise

Regie: Madonna Benjamin, UK 1999, 50', Dokumentarfilm, en., OF

Slaves in Paradise zeichnet die Geschichte der Kommune nach und zeigt auf wie weder das Chaos, in dem der Friedrichshof versank, noch die Verhaftung Muehls und seine Gefängnisstrafe es schafften, den Kult zu bezwingen. Viele der ursprünglichen Kommunemitglieder leben noch immer auf dem Gelände, darüberhinaus gründete Muehl, siebzig Jahre alt und an Parkinson leidend, in Portugal gemeinsam mit einer Gruppe von Gefolgsleuten eine neue Kommune. Genau wie die ursprünglichen Mitglieder des Friedrichshof sind sie alle angewiesen, jede Nacht mit einem anderen Partner / einer anderen Partnerin zu schlafen – mit Ausnahme von Muehl, der schlafen kann mit wem er will, wann immer er will. Im flachen Farmland außerhalb Wiens, am Ende eines kaum gekennzeichneten Feldweges und hinter einer hohen Mauer, liegt was ein modernes Studentenwohnheim zu sein scheint, inklusive eines schmückenden Sees, an deren Ufern die mittlerweile meist um die 50-Jährigen Bewohner_innen sich nackt sonnen oder darin baden. Der Ort, offensichtlich vor neugierigen Blicken der Landbevölkerung verborgen, nennt sich Friedrichshof und war während einer friedvollen Zeit zwischen den 70ern und den Anfängen der 90er die bekannteste Sexkommune der Welt. Von Otto Muehl, einem Wiener Künstler mittleren Alters anfänglich für idealistische, junge Leute gegründet, verkam die Kommune rasch zu einem Muehl-Kult außer Kontrolle, wo die Hauptbeschäftigung der mehr als 600 Mitglieder starken Kommune darin bestand, immer jüngere Mädchen für den Beischlaf mit dem immer älteren, fetteren und arroganteren Gründer zu beschaffen. Muehl glaubte die Zukunft der Menschheit läge in einem Leben der freien Liebe, Kunst, endloser Psychotherapie und ökonomischem Kommunismus. Inmitten vorhersehbaren Traras in Österreich wurde er 1991 verhaftet und wegen Unzucht mit Minderjährigen zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt; keine geringe Leistung in einem Land, in dem das Jugendschutzalter bei 14 liegt.  

 

Foto: amber films

Termine

Vergangen
Fr 21.11.2014, 19:00 / HAU2

Spielorte

HAU2
Hallesches Ufer 34, 10963 Berlin

Zwei markierte Parkplätze vor dem Haus vorhanden. Barrierefreie Sanitäranlagen vorhanden. Es stehen vier Relaxed Seats in der ersten Reihe des HAU2 zur Verfügung. Auch Tickets für Rollstuhlfahrer*innen und Begleitpersonen sind über das Ticketingsystem buchbar. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an unser Ticketing- & Service-Team unter +49 (0)30 259004-27 oder per E-Mail an tickets@hebbel-am-ufer.de.

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